10.02.2011 , 17:23:00 Uhr - Information - PM TOYOTA Handball Bundesliga

„Der Nachwuchs an sich ist nicht das Problem”

Bob Hanning ist ein Mann, der Handball lebt. Und deshalb ist für den Manager der Füchse Berlin der Niedergang der Nationalmannschaft selbstredend ein drängendes Thema. Als Präsidiumsmitglied der TOYOTA HBL war Hanning der am Mittwoch 43 Jahre alt wurde, bei den ersten Sondierungsgesprächen zwischen der Liga und dem Verband mit dabei. Und erlebte im Anschluss an die Sitzung das All Star Game in Leipzig.

Am vergangenen Samstag stand das All Star Game in Leipzig auf dem Programm. Neuer Ort, neuer Termin: Das neue Konzept scheint anzukommen.

Hanning: Das war die richtige Entscheidung. Wir sind glücklich, einen Standort im Osten Deutschlands gefunden zu haben, der dieses Thema mit viel Engagement angeht. Ich halte es für gut, wenn das All Star Game dort stattfindet, wo der Bundesliga-Handball eben nicht daheim ist, weil das Match dadurch eine höhere Wertigkeit bekommt. Nicht umsonst habe ich mich für Leipzig als neuen Standort stark gemacht. Leipzig war ein würdiger Gastgeber. Wir sollten überlegen, auf lange Sicht das All Star Game dort zu lassen.
 
Und das sagen Sie als ein Berliner, der einst das All Star Game in seine Stadt holte.

Hanning: Es geht doch dabei nicht um persönliche Eitelkeiten, sondern um die Sache.
 
Die Halle war voll, Sport1 übertrug live und selbst das Promispiel im Vorfeld erfreute sich größter Beliebtheit. War Ihr Einsatz dort nicht geplant?

Hanning: (lacht!) Ich glaube, wenn ich im Tor gespielt hätte, hätte Heiner Brand danach große Probleme gehabt, ob er mit Silvio Heinevetter, Johannes Bitter und Carsten Lichtlein auch die richtigen Keeper nominiert hat. Diesen Zwiespalt wollte ich ihm ersparen.
 
Apropos Brand. Was wünschen Sie ihm für die Zukunft?

Hanning: Ich persönlich finde es gut, dass er zumindest die EM-Qualifikation noch begleitet. Das nimmt der Nationalmannschaft den gegenwärtigen Stress und alle im Umfeld Beteiligten können ohne Not und in Ruhe an allen wichtigen Entscheidungen arbeiten. Heiner wird eines Tages sicher nicht allein an dem gemessen, was er erreicht hat, sondern vielmehr noch an dem, was er hinterlässt. Und das ist unglaublich viel.
 
Am Rande des All Star Games trafen sich auch Liga- und Verbandsvertreter, um das WM-Desaster von Schweden aufzuarbeiten. Gab es erste Ergebnisse?

Hanning: Ich bin der Meinung, dass die Dinge dahin gehören, wo sie besprochen wurden. Es gibt bei allen Beteiligten eine sehr hohe Bereitschaft an der gemeinsamen Zielsetzung, dass wir eine starke Nationalmannschaft haben wollen. Die Themen sind aber bisher nur angerissen und noch nicht en detail diskutiert worden. Das geht in der Kürze der Zeit auch nicht. Es gibt hier aber kein Thema, das nicht auf den Tisch kommt.
 
Wie wird die Liga jene Task Force Nationalmannschaft mit Inhalt und Leben füllen?

Hanning: Wir werden nun im Nachgang zu unserem ersten Treffen die Arbeitsgruppen erweitern, um intensiv und effektiv an zielorientierten Lösungen zu arbeiten.
 
Das Problem ist der Nachwuchs, der den Sprung in die Liga nicht schafft.

Hanning: Der Nachwuchs an sich ist nicht das Problem. Die Bundesliga hat mit ihren Klubs und dem Jugendzertifikat europaweit herausragende Arbeit geleistet. Der deutsche Handball schafft es aber gegenwärtig nicht, den herausragenden Nachwuchs in den Anschlusskader der Erstligisten zu führen. Ich möchte ein Beispiel aus dem Fußball geben. In England gibt es die stärkste Fußball-Liga der Welt. Aber dem Verband gelingt es nicht, mit seiner Nationalmannschaft Titel zu gewinnen. Wir müssen die Talente, die zweifellos sogar in großer Zahl da sind, besser integrieren und – vor allem – zu Persönlichkeiten ausbilden.
 
Wie das?

Hanning: Wir hatten 2007 den Erfolg doch nur, weil Menschen wie Markus Baur und Christian Schwarzer in dieser Mannschaft waren. Wir müssen unseren Nachwuchs eben nicht nur unter Handball- und Athletikgesichtspunkten ausbilden, sondern als Ganzes. Ich habe meine B-Jugend nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft drei Tage zur Müllabfuhr geschickt, damit diese Jungs die Erfahrung machen, welch ein Privileg es ist, eines Tages als Handballer sein Geld zu verdienen. Es geht bei der Ausbildung von Jugendlichen auch um Benimmregeln, um einen Verhaltenskodex, um Kraft und um Leistungsbereitschaft. Ein solches Leitbild halte ich für äußerst wichtig. Und diese Dinge müssen wir nicht problem-, sondern lösungsorientiert angreifen. Außerdem: Wir sind ja nicht die einzigen, die ein miserables WM-Ergebnis eingefahren haben. Auch die Polen, die Kroaten oder die Isländer werden kaum zufrieden sein. Das Gros ihrer Spieler tummelt sich in der Bundesliga. Da drängt sich mir doch die Frage auf, ob es nicht letztlich auch eine Frage der gewaltigen Belastung ist, dass ausgerechnet diese Teams enttäuschten, hingegen Frankreich und Spanien die positiven Akzente setzten.
 
Mit dem All Star Game in Leipzig startete die TOYOTA HBL nach sechs Wochen WM-Pause wieder in den Liga-Alltag. Endlich, oder?

Hanning: Wir freuen uns alle darauf, auch wenn die Insolvenz der Dormagener zunächst einen Schatten auf den Rückrundenstart geworfen hat.
 
Sie und Ihr Klub sind erster Verfolger des HSV Hamburg. Wie definiert sich Ihr Saisonziel?

Hanning: Das hat sich nicht verändert. Wir wollen in der kommenden Saison europäisch dabei sein. Das wäre nach 21 Jahren Absenz eine tolle Sache. Wir haben bislang sicher weit über unsere Verhältnisse gespielt. Ich hoffe, dass uns ein Leistungseinbruch erspart bleibt, sodass wir am Ende der Saison den fünften Platz erreichen und international dabei sein können.
 
Die Champions League ist kein Thema für Sie?

Hanning: Träumen darf hier jeder, aber realistisch betrachtet sind die Klubs aus Hamburg, Mannheim und Kiel mit qualitativ deutlich besseren Kadern ausgestattet. Ich gehe davon aus, dass der HSV Hamburg als großer Favorit am Ende auch Meister wird. Aber der THW Kiel wird sicher noch ein wenig herankommen. Das wird ganz gewiss noch eine richtig spannende Saison. Ich freue mich riesig darauf.
 


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