13.05.2008 , 10:04:00 Uhr - Information - Berliner Morgenpost vom 10.05.2008

"Handball-Märchen ist wahr geworden"

Manager Bob Hanning über den Erfolg der Füchse, einen Umzug in die O2 World und Stefan Kretzschmar
Von Alexandra Gross

Am Sonntag (15 Uhr) empfangen die Füchse Berlin in der Schmeling-Halle den TBV Lemgo. Es ist das letzte Heimspiel der Saison für den Aufsteiger in die Handball-Bundesliga. Die Berliner haben sich auf Anhieb etabliert. In der Berliner Morgenpost zieht Füchse-Manager Bob Hanning sein persönliches Fazit und blickt voraus auf die nächsten Ziele.

Berliner Morgenpost: Herr Hanning, müssen Sie sich manchmal kneifen bei der rasanten Entwicklung?
Bob Hanning: Kneifen nicht, aber natürlich herrscht eine große Zufriedenheit. Wir haben damals den Traum gelebt, dass wir in die stärkste Handball-Liga der Welt wollen. Dass das jetzt tatsächlich geklappt hat und dass wir in der Stadt so gut angenommen worden sind, ist die Erfüllung eines großen Traumes. Das Berliner Handball-Märchen ist wahr geworden.
Gab es auch mal Situationen, in denen Sie verzweifelt waren, weil Sie gegen zu hohe Widerstände zu kämpfen hatten?
Berlin ist komplex und keine einfache Stadt, um sich zu etablieren. Aber vor allem ist Berlin spannend. Und für mich gerade deshalb besonders reizvoll, weil viele gesagt haben, dass hier Bundesligahandball nicht funktionieren würde. Nun bin ich ein Mensch, der seine ganze Energie in eine Richtung lenkt. Man muss in Berlin positiv nach vorne denken.
Sie haben gerade Ihren Vertrag als Geschäftsführer bis 2013 verlängert. Wie lautet der Plan für die nächsten fünf Jahre?
Es gibt drei wesentliche Punkte, die mir am Herzen liegen. Der erste ist die Wirtschaftlichkeit. Unser Ziel ist, dass wir immer eine schwarze Null schreiben. Das ist uns in den vergangenen drei Jahren gelungen. Zweitens geht es um eine sportliche Weiterentwicklung. Und der dritte Punkt ist unser Nachwuchskonzept. Wir sind ein sauber geführter Klub und zugleich ein Familienverein.
Wie erleben Sie die Resonanz in der Hauptstadt?
Der Berliner hat uns vor drei Jahren nicht erkannt. Wenn ich dagegen heute ins Taxi steige, werde ich nach dem letzten Spiel gefragt. Die Füchse sind angekommen als Gesamtberliner Verein.
Und wie reagiert die Bundesliga?
Dort werden wir nach anfänglichem Argwohn jetzt mit viel Wohlwollen behandelt. Fest steht: Die Handball-Bundesliga braucht Berlin! Sicher wird sich der Zuspruch ändern, wenn wir sportlich erfolgreicher werden. Zurzeit sind wir noch die lieben kleinen Berliner, denen gern geholfen wird. Wir stehen sozusagen noch unter Artenschutz.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit anderen Berliner Klubs?
Wir müssen offen miteinander umgehen. So benötigen wir beispielsweise künftig eine Wirtschaftsförderung. Im Moment werden die Berliner Vereine eher stiefmütterlich behandelt, das muss sich in Zukunft ändern. Allerdings funktioniert das auch nur, wenn wir gemeinsam stark auftreten und nicht jeder für sich herumwurstelt. Kräfte bündeln ist das Zauberwort.
Es gibt in Berlin viele erfolgreiche Erstligavereine. Wie haben es die Füchse geschafft, bei der starken Konkurrenz in der Aufstiegssaison im Durchschnitt 6400 Zuschauer in die Schmeling-Halle zu bekommen?
Der Handball hat ein Riesenglück, denn Sportarten definieren sich letztlich über die Nationalmannschaften und da ist die deutsche Auswahl in unserem Sport in den vier Top-Sportarten Fußball, Handball, Eishockey und Basketball die erfolgreichste. Dazu kam die sensationelle WM im eigenen Land mit dem Titelgewinn. Sportarten definieren sich nicht über Alba Berlin oder Artland Dragons, auch nicht über die Füchse Berlin und Flensburg-Handewitt, sondern über die Nationalmannschaft. Außerdem können die Leute Handball im Fernsehen wahrnehmen. Und der dritte Vorteil für Handball ist, dass die Bundesliga die härteste Klasse der Welt ist.
Wo sehen Sie Handball in Deutschland?
Wir sind die Nummer zwei hinter Fußball, und diese Position haben wir uns hart erarbeitet.
Steht angesichts der vielen Zuschauer der Umzug in die O2 World an?
Nein, wir fühlen uns in der Max-Schmeling-Halle sehr wohl und sie sollte auch in den nächsten Jahren der Fuchsbau sein. Aber natürlich kann man darüber nachdenken, für Spitzenspiele wie gegen den THW Kiel in die O2 World zu gehen.
Die letzten Jahre verliefen für die Füchse im Eiltempo. Haben Sie Angst, dass der Füchse-Zug mal ins Stocken gerät?
Unsere Richtung steht fest, nicht aber der Weg dahin. Natürlich werden wir auch mal in einer Einbahnstraße landen oder wir müssen einen Umweg beschreiten. Ich weiß, dass wir nach Europa müssen und habe auch eine Idee über den Weg dorthin.
Wie lauten Ihre Ziele für die kommende Saison?
Wir müssen das in dieser Saison Erreichte erst einmal bestätigen. Das ist in der stärksten Liga der Welt eine ambitionierte Zielsetzung. In den nächsten beiden Jahren streben wir einen Platz jeweils zwischen Rang acht und zwölf an. In drei Jahren müssen wir im europäischen Wettbewerb angekommen sein.
In Hamburg wurde eine Vorspeise ihres Lieblingsrestaurants nach Ihnen benannt, wie stark sind Sie in Berlin bereits zu Hause?
Ich habe lange gebraucht, die Stadt zu verstehen und lieben zu lernen. Es war keine Liebe auf den ersten Blick. Nach drei Jahren bin ich nun soweit, ich fühle mich heute als Berliner und hier auch zu Hause. Ich finde, dass Beziehungen, die gewachsen sind, oft viel haltbarer sind als jene, die auf den ersten Blick entstanden sind.
Oft wurde gemunkelt, dass Stefan Kretzschmar zu den Füchsen wechselt. Stehen Sie in Kontakt mit ihm?
Stefan Kretzschmar ist da, wo er jetzt ist, sehr glücklich. Er braucht uns nicht und wir brauchen ihn auch nicht. Das heißt aber nicht, dass wir nicht miteinander sprechen, auch ist die Tür zwischen uns nicht zugeschlagen. Dass Stefan und ich uns sehr mögen, ist ja bekannt, obwohl wir sehr unterschiedliche Typen sind. Aber uns verbindet die ernsthafte Liebe zum Handball.
Aus der Berliner Morgenpost vom 10. Mai 2008

 http://http://www.morgenpost.de/content/2008/05/10/sport/961684.html

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