24.01.2016 , 22:33:00 Uhr - Information - handball-world / DHB

Deutschland besiegt Russland bei Herzschlag-Finale

Die deutsche Mannschaft hat ihr fünftes EM-Spiel gegen Russland gewonnen. Die Spieler von Dagur Sigurdsson haben nun sechs Punkte und dadurch gute Chancen auf den Einzug in das Halbfinale. Dafür wäre, nach zwei Ruhetagen, die nun folgen, ein Sieg im letzten Hauptrundenspiel gegen Dänemark am Mittwoch erforderlich. In Breslau entwickelte sich ein spannendes Spiel, bei dem Deutschland zunächst mit 4:7 zurücklag und später eine 25:21-Führung wieder aus der Hand gab. Bester Werfer der DHB-Auswahl war Christian Dissinger mit sieben Toren, er traf ebenso oft wie Russlands Kapitän Timur Dibirov. Christian Dissinger und Steffen Weinhold (Schlussminute) schieden im Spielverlauf verletzt aus.

Russland war der fünfte Gegner des deutschen Teams. Das Team von Dmitri Torgovanov ging im Rückraum mit Sergei Shelmenko, Dimitri Zhitnikov und Sergei Gorbok ins Spiel. Die beiden Letztgenannten und Kreisläufer Aleksandr Chernoivanov sorgten für die ersten drei Treffer der Sbornaja. Die Russen hatten sich recht einfach die erste Führung erspielt, sie wirkten zu Beginn gedankenschneller als das DHB-Team, das jedoch anschließend ins Spiel zu finden schien. Erik Schmidt erlöste die deutsche Sieben im Nachsetzen, sein erster Turniertreffer, und Steffen Fäth sorgte nach fünf Minuten für das 3:4. Weitere Fehler nutzten aber die Russen zur 4:7-Führung. 

Sieben Gegentore in acht Minuten – Die deutsche Abwehr wackelte zu Beginn doch erheblich. Die Russen setzten ihren massigen Kreisläufer Aleksandr Chernoivanov immer wieder gekonnt ein, um Lücken für den Rückraum zu reißen. Abstimmungsschwierigkeiten im Spielaufbau bestraften die Russen zudem konsequent mit Gegenstößen. Überdies hatte Rune Dahmke vom Kreis Pech, dass der Ball nach zehn Minuten auf der Linie kleben blieb. Die deutsche Mannschaft schien solche Rückschläge jedoch gelassen hinzunehmen und wühlte sich trotz weiterer Misserfolge geduldig durch die russische Defensive, getragen von Andreas Wolff, der erneut der große Rückhalt werden konnte. 

Russland ging aus dieser starken Startphase lediglich mit zwei Treffern Vorsprung hervor, da einige Male die schnelle Mitte vergeben worden war. Andreas Wolff hätte zudem nach 16 Minuten beinahe den 7:9-Strafwurf von Kapitän Dibirov pariert. Über Dissinger und Schmidt fand die Tormaschine immer besser ins Spiel, beim 10:10 war nach 20 Minuten der Ausgleich geschafft. Die beiden stimmten sich auch mehrmals über die Laufwege ab. Das 11:10 besorgte dann Fäth mit einem trockenen Wurf ins kurze Eck, der anschließend bei einem Pass auf Schmidt hart attackiert wurde. Den fälligen Strafwurf zum 12:11 verwertete Tobias Reichmann mit der üblichen Kaltschnäuzigkeit. 

Russland glich im weiteren Verlauf der ersten Hälfte immer wieder aus. Sigurdsson hatte Carsten Lichtlein eingewechselt, auch er schien aber gegen die Siebenmeter-Finten von Dibirov machtlos zu sein. Sergei Shelmenko und er zeigten beim 14:14 zudem eine schöne Kempa-Kombination. Aber nachdem Dissinger das Tor verfehlt hatte, parierte Lichtlein aus der Kurzdistanz gegen Shelmenko und der Kieler konnte seinen Fehler gutmachen. 35 Sekunden vor Schluss nahm Torgovanov beim Stand von 17:16 eine Auszeit, Dmitri Zhitnikov traf aber nur den Pfosten. Sigurdssons Grüne Karte folgte, aber Vadim Bogdanov rettete gegen Christian Dissinger den 17:16-Halbzeitstand. 

Das deutsche Team hatte in der ersten Spielhälfte vor allem gegen die Kreisläufer Mikhail Chipurin und Aleksandr Chernoivanov schlecht ausgesehen. Elfmal waren sie zum Wurf gekommen. Der Trumpf des deutschen Teams war bislang der Rückraum mit acht Treffern bei zehn Versuchen. Deutschland hielt derweil auch nach Wiederanpfiff am Mittelblock Lemke - Schmidt fest. Dies schien sich nun auch auszuzahlen. Ein verbessertes Stellungsspiel ermöglichte den 19:16-Treffer, voraus gegangen war ein Ballgewinn. In Überzahl, Steffen Fäth saß draußen, ließ Dibirov den nächsten Kempatreffer folgen. Ex-Löwe Sergei Shelmenko verkürzte nach fünfeinhalb Minuten auf 19:18. 

Insgesamt ging die deutsche Sieben gestärkt aus der frühen Phase der zweiten Halbzeit hervor. Rune Dahmkes Konter zum 23:19 zwang die Sbornaja nach zehn Minuten in die Auszeit. Hendrik Pekeler griff nun ins Geschehen ein. An der Spitze einer 5:1-Formation kassierte sofort eine Zeitstrafe, doch Dibirov drehte den folgenden Strafwurf an die Latte. Auf der Gegenseite machte es Erik Schmidt im Nachsetzen besser und wahrte beim 24:19 seine blitzsaubere Quote. Kurzzeitig war Deutschland danach nur mit vier Feldspielern auf dem Platz; Carsten Lichtlein ließ sich für eine Parade gegen Timur Dibirov feiern. Auch Victor Kireev zeigte derweil starke Reflexe und gab Russland Hoffnung. 

Die Dramatik nahm nochmals zu, weil die Sbornaja mit Pawel Atman in der Spielsteuerung nach 47 Minuten Lösungen gegen die deutsche 5:1-Abwehr fand. Der flinke Spielmacher verkürzte auf 25:22 und Sergej Gorbok setzte nach. Nach einem Schrittfehler von Martin Strobel sorgte Valentin Buzmakov zudem für das 26:25. Die russische Bank zwang die deutsche Sieben mit dem 5:1-Lauf in die Auszeit, anschließend fiel der 26:26-Ausgleich (52.). Treffer von Kohlbacher und Weinhold entschärften die Situation wieder ein wenig, zudem brachte Reichmann den Strafwurf zum 29:27 unter. Zwar zog Dibirov danach eine Zeitstrafe gegen ihn, aber Shelmenko beging ein Stürmerfoul. 

Weinholds 30:27 hätte, zweieinhalb Minuten vor der Sirene erlösend für das deutsche Team wirken können. Doch Zhitnikov netzte sofort für die Sbornaja und mehrere Ballverluste des deutschen Teams gingen an die Nerven. Atman traf nach einer Auszeit zum 30:29-Anschluss. Die Schlussminute war indes bereits angebrochen. Russland machte jetzt hinten auf, doch die Zeit lief davon. Dagur Sigurdsson forderte daraufhin eine Besprechung, um sein Team auf die finalen 27 Sekunden einzuschwören. Fabian Wiede verlor den Ball, Weinhold verletzte sich, als er den Gegentreffer verhinderte. Elf Sekunden verblieben, aber Zhitnikovs Lattenwurf ließ Deutschland jubeln. 

"Wir haben jetzt sechs Punkte auf dem Konto, und jeder weiß, dass der Sieger unseres nächsten Spiels gegen Dänemark ins Halbfinale einzieht", sagte Fabian Wiede nach dem Spiel. "Also werden wir für einen Sieg alles in die Waagschale werfen, aber man muss natürlich sehen, ob unsere Verletzten fit sind oder nicht." Noch ist nicht klar, wie schwer die Verletzungen von Steffen Weinhold und Christian Dissinger sind, aber laut Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning sieht es nicht gut aus. Kai Häfner von der TSV Hannover-Burgdorf und Julius Kühn vom VfL Gummersbach reisen vorsichtshalber morgen nach Breslau. Eine Entscheidung über eine Nachnominierung wird Bundestrainer Dagur Sigurdsson voraussichtlich am Mittwochmorgen treffen. 

Torschützen: Dissinger (7), Schmidt (6), Reichmann (5/2), Fäth (4), Weinhold (4), Dahmke (2), Wiede (1), Kohlbacher (1) 

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